Rheuma-Liga Berlin

Rheumakranke Kinder und deren Angehörige

Rheuma_Kinder_01In Deutschland leiden rund 40.000 Kinder und Jugendliche an entzündlich-rheumatischen Erkrankungen. In Berlin leiden mehr als 1000 Kinder und Jugendliche an einer der über 20 verschiedenen rheumatischen Erkrankungen im Kindes und Jugendalter.

Schmerzen, eine stark eingeschränkte Beweglichkeit, das Mitbetroffensein von inneren Organen, Kleinwüchsigkeit und die Nebenwirkungen von Medikamenten beeinträchtigen das Leben der betroffenen Kinder und Jugendlichen.

 

Weitere Informationen erhalten Sie auch unter:

www.rheuma-liga.de/eltern

www.geton.rheuma-liga.de

www.mein-rheuma-wird-erwachsen.de

 

Familienalltag mit Rheumakind – Bericht einer Mutter

Es braucht ein Dorf, um ein Kind aufzuziehen…

Wenn man werdende Eltern fragt, ob sie sich ein Mädchen oder einen Jungen wünschen, ist die häufigste Antwort „Hauptsache gesund!“

Was bedeutet es also für Eltern ein chronisch krankes Kind zu haben? In unserem Falle ein rheumatisch krankes Kind. Meine persönliche Antwort: Dankbarkeit!

Ich bin dankbar! Dankbar dafür, dass es eine kontrollierbare Krankheit ist, die man gut behandeln kann. Ich habe eine ältere Tochter, deren Gesundheit ich immer als selbstverständlich angenommen habe – bis meine zweite Tochter, Sara, zur Welt kam und mit Rheuma diagnostiziert wurde.

Sara begleitet das Rheuma nun schon seit 10 Jahren und obwohl die Krankheit mit vielen Hoch- und Tiefs verbunden ist, haben wir uns mittlerweile an die große Bandbreite ihrer Befindlichkeiten gewöhnt. An guten Tagen ist sie wie ein ganz normales Kind, schmerzfrei, tobt herum und erledigt alle altersgerechten Aufgaben selbstständig. An schlechten Tagen jedoch kann es passieren, dass sie in der Bewältigung ihrer Aufgaben in die Entwicklungsstufe eines Kleinkindes zurückfällt: z.B. ein simples Brot zu schmieren fällt ihr dann schwer, Treppen steigen ist der Horror, Reißverschlüsse oder Schuhe binden sind dann nicht mehr selbstverständlich. Das sind Momente, die WIR erleben, nur Wir! Kein Außenstehender würde je vermuten, was wir manchmal für Tage durchmachen. Die Vielzahl der durch die Krankheit verursachten Therapietermine ist eine der schwierigsten Hürden für mich. Denn das Rheuma löst eine Art Kettenreaktion aus: Rheumatologe, Kinderarzt, Augenarzt, Physiotherapie, Psychologe etc. In solchen Momenten wünsche ich mir drei weitere Klons von mir – u.a. um die Auswirkungen der Krankheit auf das Leben der übrigen Familienmitglieder abzumildern. Wie viele unzählbare Stunden verbrachte Saras ältere Schwester in den Wartezimmern von therapeutischen Praxen?!

Saras Schübe verursachen leider häufig eine Uveitis, eine Augenerkrankung, die zur Erblindung führen könnte – wenn sie nicht behandelt würde. Es ist mittlerweile eher unwahrscheinlich, dass es bei meiner Tochter jemals zu diesem Extremfall kommen wird. Dennoch begleitet uns diese Angst stets, wenn der Augenarzt sagt, dass wieder Kortison getropft werden muss.

In Saras schlimmster Phase (noch zur Kitazeit) mussten stündlich Augentropfen verabreicht werden. Wir versuchen, unseren Alltag weitestgehend aufrecht zu erhalten. Also sollte Sara auch in dieser Phase weiterhin zur Kita gehen können, um dort mit ihren Freunden spielen und sich altersgerecht entwickeln zu können. Da ich alleinerziehend bin und Vollzeit arbeite, konnte ich das stündliche Geben der Augentropfen unmöglich leisten. Den Erzieher*innen ist das Verabreichen von Medikamenten gesetzlich untersagt. Meine liebe Mutter, Saras Oma, deren Gesundheit leider auch nicht mehr die Beste ist, saß folglich tagelang auf einer Parkbank vor der Kita, von wo aus sie stündlich hoch in die Kita lief, um ihr die Augentropfen zu verabreichen.

Da Sara sehr früh, schon in ihrem ersten Lebensjahr mit Rheuma diagnostiziert wurde, gab es anfänglich vor allem bei der Medikamentenvergabe große Schwierigkeiten. Sara hatte Angst vor den Spritzen und den Augentropfen. Die Pillen waren bitter und schmeckten nicht. Für Sara war das eine Qual. Jede Woche kämpften wir aufs Neue. Obwohl ich wusste, wie wichtig es für Saras Gesundheit war, war es für mich als Mutter eine furchtbare Erfahrung, mein sich wehrendes Kind festhalten und dazu zwingen zu müssen. Mit fortschreitendem Alter fragte mich meine Tochter, ob sie je ohne Spritzen auskommen wird, auch mal wie andere Kinder gesund sein wird und nicht mehr ständig zum Arzt muss. Es war und bleibt herzzerreißend für mich, ihr diese Fragen leider nicht bejahen zu können.

Familien, die neu erfahren, dass ihr Kind rheumatisch erkrankt ist, kann ich nur empfehlen, sich über die Rheuma-Liga mit weiteren Familien zu verbinden, deren Kinder ähnlich mit der Krankheit kämpfen. Es ist unheimlich wichtig für das Kind zu sehen, das es nicht „unnormal“ ist und vor allem nicht allein auf diesem Leidensweg. Für die Eltern ist dieser spezifische Informationsaustausch sehr hilfreich, wichtig und entlastend. Sich angenommen und verstanden zu fühlen – das gibt Hoffnung, Kraft und Energie, weitere Herausforderungen zu bewältigen. Außerdem hat uns die Rheuma – Liga dankenswerter Weise eine ehrenamtliche Helferin vermittelt, die uns unterstützt. Unsere Anja kam vor ca. 8 Jahren in unser Leben. Sie hat mir die Kinder regelmäßig ein paar Stunden abgenommen: hat Hausaufgaben mit Ihnen gemacht, Spiele gespielt, gebastelt, auf Ausflüge begleitet, so dass ich ein paar Stunden einfach mal abschalten konnte. Sie ist uns mittlerweile zur Freundin geworden und aus unserem Leben gar nicht mehr wegzudenken. So kann ich auch hier abschließend nur sagen: „Ich bin dankbar. Dankbar, dass mir als Mutter eines an Rheuma erkrankten Kindes Hilfe zuteilwurde und ich in diesem Zusammenhang so viele gute Erfahrungen machen durfte.“

Letzte Aktualisierung am 18. April 2023