Rheuma-Liga Berlin

6. Arthrosetag im Rahmen des DKOU − Wissen schafft Vertrauen

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Wissen schafft Vertrauen – unter diesem Motto tagten rund 10.000 Orthopäden und Unfallchirurgen vom 28. bis 31. Oktober in Berlin. Ein Höhepunkt des Kongresses war der Arthrosetag, eine der größten Patientenveranstaltungen bei medizinischen Kongressen in Deutschland. Die Veranstaltung fand bereits zum sechsten Mal statt und hat sich inzwischen als fester Bestandteil des DKOU etabliert. Die wissenschaftliche Leitung des Arthrosetags übernahmen Frau Prof. Dr. med. Erika Gromnica-Ihle, Präsidentin Deutsche Rheuma-Liga Bundesverband e.V. und Prof. Dr. med. Wolfgang Rüther, Direktor Orthopädie Klinikum Bad Bramstedt GmbH und Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Beide setzen sich für die Kooperation zwischen Wissenschaft, Forschung und Versorgung ein und führten nunmehr zum sechsten Mal durch die Veranstaltung

Zum Auftakt begrüßten die Kongresspräsidenten, Prof. Dr. med. Henning Windhagen (DGOOC; Orthopädische Klinik der Medizinischen Hochschule Hannover im Annastift) und Prof. Dr. med. Bertil Bouillon (DGU; Klinik für Unfallchirurgie, Orthopädie und Sporttraumatologie, Lehrstuhl der Universität Witten/Herdecke am Klinikum Köln-Merheim) die rund 400 Gäste. Dabei betonten sie, wie wichtig es für Mediziner sei, sich Zeit für die Anliegen der Patienten zu nehmen. Prof. Windhagen berichtete dem erfreuten Publikum, dass Frau Prof. Dr. Gromnica-Ihle mit der Georg-Hohmann-Plakette ausgezeichnet wurde. Dr. Helmut Sörensen, Präsident der Deutschen Rheuma-Liga Berlin e.V., unterstrich in seinem Grußwort die immense Bedeutung des Arthrosetags für die Betroffenen, die sich dort über die neuesten Forschungsergebnisse und Therapiemöglichkeiten informieren können. Er mahnte eine bessere Versorgung an und rief die Betroffenen auf, sich aktiv dafür einzusetzen. Auch freute sich Dr. Sörensen über den Schwerpunkt „Bewegung“ im Programm des Arthrosetags: „Wir wollen, dass sich alle mehr bewegen, und richten uns allein in Berlin mit knapp 700 Trainingsgruppen an Betroffene.“

Bericht über die ärztlichen Vorträge vom 6. Arthrosetag im Rahmen des DKOU14

Was hilft bei Rückenschmerzen?

Prof. Dr. Bernd Kladny, Chefarzt der Abteilung Orthopädie und Unfallchirurgie der Fachklinik Herzogenaurach, informierte über die konservative Behandlung von Rückenschmerzen. „Wenn wir von einer Gesamtheit von 100.000 Menschen ausgehen, haben davon 62.000 Rückenschmerzen, 12.000 chronische Rückenschmerzen, 9.000 suchen einen Arzt auf, 500 haben aufgrund der Schmerzen einen Krankenhausaufenthalt und bei 300 Menschen werden Operationen durchgeführt.“ Sein Fazit für die Patienten: „Finden sich keine Warnhinweise in der Befragung und Untersuchung des Patienten, dann haben akute nicht-spezifische Schmerzen unter Beibehaltung der Aktivitäten und einer Behandlung der Symptome, also des Schmerzes, eine sehr gute Prognose. Chronische Schmerzen, die länger als 12 Wochen andauern, bedürfen eines multimodalen, interdisziplinären Behandlungsprogramms. Finden wir morphologische Ursachen, dann gibt es außerhalb von Notfällen gute Möglichkeiten der nicht-operativen Behandlung. Dies trifft insbesondere für verschleißbedingte Wirbelsäulenerkrankungen und Bandscheibenvorfälle zu. Sind die Möglichkeiten der ambulanten Behandlung ausgeschöpft, dann kann eine Intensivierung der Behandlung unter stationären Bedingungen erfolgen. Mittel- und langfristig bestehen keine wesentlichen Unterschiede in den Behandlungsergebnissen zwischen operierten und nicht-operativ behandelten Patienten. Häufig kann aber der Verlauf einer Erkrankung durch eine Operation abgekürzt werden. Es geht hinsichtlich Operation und nicht-operative Behandlung nicht um ein „entweder oder, sondern um ein sowohl als auch“ in einem sinnvoll gestalteten Behandlungsablauf unter Einbeziehung des Patienten“.

Operative Behandlung von Rückenschmerzen: „Als Wirbelsäulen-Operateur fühlt man sich heute manchmal fast wie ein Banker“, scherzte zu Beginn seines Vortrages PD Dr. Ralph Kothe, Chefarzt der Klinik für Spinale Chirurgie der Schön Klinik Hamburg-Eilbek. In den Medien werde die höhere Anzahl von Operationen angeprangert, dabei verberge sich dahinter, dass es mehr ältere Menschen in Deutschland und dass es heute ein höheres Aktivitätsniveau gebe. Er nannte klare Indikationen für eine Operation: Unfallverletzungen, Tumorerkrankungen, rheumatische Instabilitäten, Wirbelsäulenverkrümmungen und Infektionen. Grundsätzlich kann eine Operation in drei weiteren Indikationen sinnvoll sein. 1. Ein Bandscheibenvorfall: Aber, >90% können konservativ behandelt werden. Notfall-Operationen müssen bei akuter hochgradiger Lähmung durchgeführt werden. Eine elektive Operation kann notwendig sein, wenn eine konservative Therapie ineffektiv ist. Er favorisierte die mikrochirurgische Bandscheibenoperation. 2. Eine Verengung des Wirbelkanals (Spinalkanalstenose): Auch hier wird in der Regel erst 12 Wochen eine konservative Therapie durchgeführt. 3. Verschleißbedingte Instabilität, meist kombiniert mit Einengung des Nervenkanals. „Eine enge Kooperation zwischen konservativ behandelnden Ärzten und den Operateuren ist wichtig. Auch die bessere Dokumentation mit einer Erfassung der Patientenzufriedenheit sei wünschenswert.“

Der zweite Themenschwerpunkt des Patiententages beschäftigte sich mit dem Thema „Übergewicht bei Arthrosen“. Leider steigt die Zahl der übergewichtigen Menschen in Deutschland, gerade bei jungen Frauen und Kindern, berichtete Dr. Marco Ezechieli von der Orthopädischen Klinik der Medizinischen Hochschule Hannover im Annastift. „Wenn Menschen früh übergewichtig sind, steigt das Arthrose-Risiko deutlich“, erklärte er. „Durch das Übergewicht steigt die Last auf die Gelenke, die Muskelkraft sinkt und die Gelenke werden zu stark belastet.“ Und weiter: „Steigt der BMI (Body Mass Index) von 25kg/m² (normal) auf 30kg/m², steigt das Risiko an einer Knie-Arthrose zu erkranken schon um 35 Prozent. Eine Hüft-Arthrose ist um 11 Prozent wahrscheinlicher. Übergewichtige Patienten bekommen im Schnitt zehn Jahre früher eine Total-Endoprothese.“ Mit steigendem BMI, steigt aber auch die OP-Zeit. Jede zusätzliche OP-Minute birgt Risiken und kostet. Unter anderem steigt das Infektionsrisiko. Bei normal gewichtigen Menschen liegt das Risiko bei 0,37 %, bei Menschen mit einem BMI von ≥30kg/m² liegt es schon bei 4,66 % und bei schwer übergewichtigen Menschen mit einem BMI ≥ 30kg/m² und zusätzlich einem Diabetes mellitus ist das Risiko bei 9,18 %). Auch Thromboembolien treten bei adipösen Menschen nach der Operation häufiger auf.

Ezechieli berichtete, dass er immer wieder von übergewichtigen Patienten den Satz höre: „Wenn ich wieder laufen kann, dann nehme ich ab.“ Die Erfahrung zeigt allerdings, dass 75 % der Patienten nach einer OP zunehmen, nur 19 % nehmen ab.

Was man gegen Übergewicht tun kann, war das Thema des letzten Vortrags von Prof. Dr. Karsten Dreinhöfer, Medical-Park Berlin. Drei Komponenten müssen beachtet werden: Ernährung, Bewegung und Verhalten. Bei der Umstellung der Ernährung macht es Sinn, die Fettzufuhr zu reduzieren, eine energiereduzierte Mischkost zu wählen und eventuell unter ärztlicher Anleitung sogenannte Formularprodukte zu verwenden. Zusätzlich sollten 2.500 Kalorien pro Woche durch Bewegung verbraucht werden. Das sind umgerechnet rund fünf Stunden zusätzliche Bewegung in der Woche. Nachdem das geplante Gewicht verloren wurde, empfiehlt Dreinhöfer, weiterhin 1.500 Kalorien pro Woche mehr zu verbrauchen, das sind rund drei bis fünf Stunden Bewegung. Und die dritte Komponente ist das Verhalten: Ein Tagebuch über die Ess- und Trinkgewohnheiten führen, soziale Unterstützung durch die Teilnahme an Gruppen werden empfohlen.

Der Vorteil einer dauerhaften Gewichtsreduzierung liegt auf der Hand: „Schon bei 10 Kilogramm weniger Gewicht, sinkt das Sterberisiko um 20 %, das Risiko, an Krebs zu erkranken, um 40 % und um 30 % das Diabetesrisiko.“

Andrea Weingart

Vorträge zum Download

Vortrag Rückenschmerzen konservativ

Vortrag Rückenschmerzen operativ

Vortrag Konsequenzen Übergewicht

 

Unterstützt wurde die Veranstaltung von der Deutschen Rentenversicherung Bund, der Deutschen Rentenversicherung Berlin-Brandenburg, der Techniker Krankenkasse, AbbVie, MSD, AstraZeneca, den Sana Kliniken Sommerfeld und DePuy Synthes.

Letzte Aktualisierung am 20. November 2014