Chronische Krankheiten
„Eine Krankheit ist schwerwiegend chronisch, wenn sie wenigstens ein Jahr lang, mindestens einmal pro Quartal ärztlich behandelt wurde (Dauerbehandlung) und eines der folgenden Merkmale vorhanden ist:
- Es liegt eine Pflegebedürftigkeit der Pflegestufe 2 oder 3 nach dem zweiten Kapitel SGB XI vor.
- Es liegt ein Grad der Behinderung (GdB) von mindestens 60 oder eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von mindestens 60% vor, wobei der GdB oder die MdE nach den Maßstäben des § 30 Abs. 1 BVG (Bundesversorgungsgesetz) oder des § 56 Abs. 2 SGB VI festgestellt und zumindest auch durch die Krankheit nach Satz 1 begründet sein muss.
- Es ist eine kontinuierliche medizinische Versorgung (ärztliche oder psychotherapeutische Behandlung, Arzneimitteltherapie, Behandlungspflege, Versorgung mit Heil- und Hilfsmitteln) erforderlich, ohne die nach ärztlicher Einschätzung eine lebensbedrohliche Verschlimmerung, eine Verminderung der Lebenserwartung oder eine dauerhafte Beeinträchtigung der Lebensqualität durch die aufgrund der Krankheit nach Satz 1 verursachte Gesundheitsstörung zu erwarten ist.“
Zielsetzung dieser Richtlinie
So ist es in der „Chroniker-Richtlinie“ (Stand: 20.8.8) des Gemeinsamen Bundesausschusses zu lesen: Regeln soll diese die Zuzahlungen chronisch kranker Patienten für Arzneimittel bzw. die diesbezügliche Belastungsgrenze, die bei Menschen mit einer chronischen Erkrankung bei 1 Prozent (sonst 2 Prozent) der Bruttoeinnahmen liegt.
Zentral sind in diesem Zusammenhang die Begriffe chronisch und akut. Hingewiesen werden soll dabei auch darauf, dass in solchen Begriffen immer auch eine kulturelle und gesellschaftliche Prägung zum Ausdruck kommt. Insofern den beiden Begriffen die Heilbarkeit als Unterscheidungskriterium zugrunde liegt, unterschieden die beiden Begriffe ursprünglich die positiv bewerteten heilbaren Patienten (akut Kranke) von den negativ bewerteten unheilbaren (chronisch Kranke).
Begriffe zum unterschiedlichen Krankheitsverlauf
Akut meint diesbezüglich einen Krankheitsverlauf mit einer Dauer bis zu etwa 14 Tagen, der Begriff chronisch alles darüber Hinausgehende. Miteinander verbunden sind beide Sachverhalte, wenn chronische Erkrankungen wie die Multiple Sklerose akute Schübe haben.
Subakut und subchronisch meinen, wie das lateinische „sub“ (= „unter“) nahe legt, einen Verlauf, der im Hinblick auf seine Dauer und seine Intensität unter dem mit akut und chronisch Gemeinten liegt.
Eine perakute Erkrankung tritt schnell auf und verschwindet auch schnell (innerhalb von 48 Stunden) wieder, oft leider auf Grund des Todes der oder des Betroffenen wie beim Herzinfarkt oder beim Schlaganfall.
Eine Krankheit mit einem rezidivierenden Verlauf ist eine solche, die wiederholt auftritt. Dies kann in verschiedenen Formen vor sich gehen, zum einen episodisch mit einer dazwischen liegenden vollständigen Genesung, zum anderen schubförmig mit einer anschließenden Heilung des Defekts wie bei der oben genannten Multiplen Sklerose. Ein zyklischer Verlauf meint, dass eine Krankheit regelmäßig in bestimmten Zeitabständen erneut auftritt.
Begriffe zur unterschiedlichen Intensität des Krankheitsbildes
Im Hinblick auf die Intensität des Krankheitsbildes werden unter anderem die folgenden Begriffe verwendet: progressiv oder progredient (als langsam fortschreitende Verschlimmerung), persistierend (als beständig bleibend), latent (in einer nur unterschwelligen, gleichsam schlummernden Form), subklinisch oder asymptomatisch (vorhanden ohne auffällige Symptome), klinisch manifest (mit deutlich bestehenden Symptomen) und auch letal (tödlich). Wenn eine Krankheit als generalisierend bezeichnet wird, bedeutet dies, dass sie sich auf das Gesamtsystem ausbreitet, wie es bei der Tuberkulose möglich ist.
Andere Begriffe
Eine Behandlung wird als palliativ bezeichnet, wenn sie zu einer Linderung der Beschwerden, zu einem Erhalt möglichst hoher Lebensqualität beitragen soll, ohne dass noch eine Therapie bezogen auf die Krankheitsursachen stattfindet.
Chronische Krankheiten können auch mit chronischen Schmerzen verbunden sein. Seit den Vierzigerjahren des 20. Jahrhunderts wurden in den USA für chronische Schmerzen bestimmte Behandlungsformen und -einrichtungen geschaffen, was zur Gründung der ersten reinen Schmerzkliniken führte. In Deutschland entstanden die ersten Schmerzkliniken erst in den 70er Jahren, die ersten kassenärztlichen Schmerzpraxen 1982 in Hamburg und Frankfurt/a.M. Schmerztherapeuten sind oft Anästhesisten, als Anästhesie wird in der Medizin ein Zustand der Empfindungslosigkeit bezeichnet, der vor einer Operation oder einer schmerzhaften diagnostischen Maßnahme herbeigeführt wird. Die dies herbeiführenden medizinischen Mittel werden als Anästhetika bezeichnet.
Im Hinblick auf die bei diesem Themenkreis verwendeten Begriffe ist aber nicht nur ihre genaue Bedeutung zu bedenken, sondern unseres Erachtens auch, dass der zentrale Begriff, dass „chronisch krank“ sehr absolut, vieles andere ausschließend klingt. Aus diesem Grund wird hier dazu angeregt, betroffene Menschen nicht als „chronisch kranke Menschen“, sondern als „Menschen mit einer chronischen Erkrankung“ zu bezeichnen. Eine solche Bezeichnung lässt der Vorstellung unseres Erachtens auch Raum für andere gesunde Anteile dieses Menschen.
Dieser Artikel von Rainer Sanner erschien erstmals in der Berliner Behindertenzeitung/April 2014. Leicht gekürzter Nachdruck mit freundlicher Genehmigung.